Migräne ist laut einer großen Studie der WHO eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen weltweit und geht mit einer deutlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität einher. Nach neueren Daten sind in Deutschland Kinder schon im Alter zwischen sieben und zehn Jahren zu 1% betroffen, Gymnasiasten zu 9,4%. Nimmt man den Kopfschmerz-Mischtyp von Spannungskopfschmerz und Migräne dazu, sind es sogar 32%. Und die Zahlen sind in den letzten Jahren, besonderes während und nach der Corona-Zeit, steigend.
Wie äußert sich Migräne?
Häufig wiederkehrende Kopfschmerzen, eingeschränkte Belastbarkeit und deutliche Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens (dazu gehört auch verstärkte Müdigkeit) sind häufige Symptome der Migräne im Kindesalter. Vegetative Symptome wie Lichtempfindlichkeit, Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen können im Vordergrund stehen und Kopfschmerzen manchmal gänzlich fehlen. Kinder beschreiben Migränekopfschmerzen im Unterschied zu Erwachsenen häufig als „drückend“, eher in der Mitte der Stirn oder an beiden Schläfen. Die typische Einseitigkeit beginnt in der Regel erst mit der Pubertät. Daneben sind im Kindesalter auch die Spannungskopfschmerzen häufig und eben die Mischung aus Migräne und Spannungskopfschmerzen.
Was können Sie tun?
Zunächst ist es wichtig, andere organische Ursachen von Kopfschmerzen, wie beispielsweise eine Nasennebenhöhlenerkrankung oder eine Fehlsichtigkeit, auszuschließen. Ihre Kinderärztin/-arzt wird viele Fragen stellen und einige Untersuchungen durchführen. Ist die Diagnose „Migräne“ gestellt gibt es verschiedene Therapieansätze.
Die rein medikamentöse Prophylaxe und Therapie von Migräne führt nach einer großen amerikanischen Studie im Kindesalter nur wenig zum Erfolg. Nichtmedikamentöse Maßnahmen sind daher von vornherein ein wichtiger Bestandteil der Migränetherapie im Kindes- und Jugendalter. Laut der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft sind die nicht-medikamentösen Maßnahmen speziell bei Kindern sogar in ihrer Wirksamkeit mit Medikamenten vergleichbar.
Entspannungsverfahren, wie Muskelrelaxation nach Jakobson, autogenes Training und Biofeedback, sind für Kinder und Jugendliche gut geeignet. Weiter kann es beispielsweise hilfreich sein, Pfefferminzöl auf die Schläfen auftragen (NICHT bei Säuglingen und Kleinkindern!), kalte (oder warme) Waschlappen auf den Nacken legen und schlafen. Der Zusammenhang zwischen Migräne und muskulärer Verspannung gilt als gesichert. Übungen zu Dehnung, Lockerung und Kräftigung der Schulter-Nacken-Muskulatur können von den Kindern und Jugendlichen selbst durchgeführt werden.
Die Migräneneigung wird zudem gefördert, wenn die Kinder und Jugendlichen unter zu wenig Schlaf, zu wenig tägliche Freizeit und Überforderung in der Schule leiden. Mangelnde körperliche Aktivität, sehr einseitige Ernährung, zu viel Kaffee und Nikotin sind ebenfalls ungünstige Faktoren. Eine Lebensstil-Änderung kann hier wesentlich zur Symptomerleichterung beitragen.
Körperliche Aktivität spielt dabei eine große Rolle in vielerlei Hinsicht. Die Förderung der Selbstwirksamkeit des Kindes oder Jugendlichen im Umgang mit der Migräne zu stärken, ist ein langfristiges, wichtiges Ziel. Ein ganzheitlicher Ansatz ist notwendig, um die optimale, individuelle Behandlung in diesem komplexen Krankheitsbild zu finden.
Haben Sie noch Fragen? Ihre Kinderärztin berät Sie gerne.
Herzliche Grüße,
Ihre Kinderärztin Dr. Anette Meidert