Zu dick, zu dünn - Magersucht im Kindes- und Jugendalter

Magersucht (medizinisch „Anorexia nervosa“) betrifft vor allem Mädchen und junge Frauen in den Industrienationen. Mädchen erkranken etwa 10mal so häufig wie Jungen. Bedenklich ist, dass vor allem in der Altersgruppe der 12- bis 15-Jährigen die Erkrankungszahlen seit Jahren ansteigen. Im Mittelpunkt steht die Angst, zu dick zu sein oder zu werden. Untersuchungen zeigen, dass bereits im Grundschulalter die Medien einen übergroßen Einfluss auf das Schönheitsideal der Kinder ausüben. Fatal ist hier, dass den Kindern in diesem Alter die notwendige kritische Distanz zu TV-Sendungen, Auftritten im Internet wie auch die (inszenierte) Auswahl zu den „zukünftigen Models“ fehlt und das Gezeigte als real angesehen wird. Vergleiche mit dem eigenen Körper werden angestellt und möglicherweise Diäten überlegt. Bis zu zwei Dritteln der Teenager haben tatsächlich schon einmal eine Diät durchgeführt. Das kann der Beginn einer Magersucht sein. Durch Störungen in der eigenen Körperwahrnehmung leiden die Patient*innen unter großer Angst zuzunehmen. Die Bewertung der eigenen Person ist überwiegend vom Gewicht und der Figur abhängig. Sie beschäftigen sich ständig mit Essen, treiben exzessiv Sport und nehmen missbräuchlich Medikamente wie Abführmittel oder führen Erbrechen herbei, um das eigene Gewicht zu reduzieren. Leider wird die Erkrankung vielfach von der Umgebung lange nicht bemerkt. Die Patient*innen selbst zeigen zu Beginn häufig keine Krankheitseinsicht und halten sich immer noch für zu dick, obwohl sie schon extrem untergewichtig sind. Die gesundheitlichen Folgen einer schweren Magersucht sind gravierend und können unbehandelt zum Tode führen.

Im Zentrum der Behandlung steht die Zunahme des Körperwichts, bei schweren Fällen sogar im Krankenhaus über eine nasale Sonde. Alleine die Gewichtszunahme hat bereits eine positive Wirkung auf die oft bestehende depressive Stimmung und Zwangshandlungen. Als psychotherapeutische Behandlungsform der Wahl wird im Augenblick die Familientherapie angesehen. Viele begleitende Maßnahmen unterstützen das verhaltenstherapeutische Programm.

Man geht davon aus, dass etwa die Hälfte der Kinder und Jugendlichen mit einer Magersucht wieder ganz gesund werden. Die andere Hälfte zeigt einen chronischen Verlauf oder noch eine Restsymptomatik. Die Behandlung ist häufig sehr langwierig und erfordert ein hohes Maß an Motivation der Betroffenen und deren Angehörigen. Je schneller die Diagnose gestellt wird und die Behandlung beginnt, desto besser ist die Chance auf vollständige Heilung.  

Haben Sie noch Fragen? Ihre Kinderärztin berät Sie gerne.

Herzliche Grüße,

Ihre Kinderärztin Dr. Anette Meidert